Kennt ihr den Lick?
- lea singt mal
- 7. Sept. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Ich gehe gerne allein ins Café. Grade sitze ich im fünften Stock meines zweit liebsten Buchladens mit einem Cappuccino und habe in mein Notizbuch gekritzelt. Mein Kaffee ist alle, nur noch der Schaum klebt am Tassenrand. Den kann ich jetzt aber nicht übriglassen! Blöderweise habe ich an der Teke vergessen einen kleinen Löffel mitzunehmen. Jetzt deswegen aufzustehen und meinen Rucksack, meine Jacke und meine Tasse mitzunehmen erscheint mir irgendwie zu aufwändig für das Bisschen Schaum. Zu Hause würde ich den Schaum einfach mit dem Finger aufwischen und ablecken, aber das erscheint mir irgendwie unangemessen im Café.
Ein kleiner alter Mann kommt zu dem Tisch an dem ich sitze und stellt sein Tablett mit einer Teekanne, einer Tasse und einem Teller darauf ab. Auf dem Teller ist ein Salat und eine Art Sandwich. Der Mann trägt eine Brille auf der Nase und hat eine Andere in den Ausschnitt seines Hemdes gesteckt. Er lässt sich mir gegenüber nieder, aber als er gerade sitzt, verdreht er die Augen. Er hat sein Besteck vergessen. Aufstehend schaut er mich an und deutet auf sein Sandwich: „Das kann ich mit den Händen essen.“ meint er „Aber das nicht.“ und deutet auf den Salat. Wir müssen beide grinsen. Ich frage ihn, ob er mir nicht einen kleinen Löffel mitbringen könnte. Er nimmt den Löffel von der Untertasse seiner Teetasse und reicht ich mir. Ich bedanke mich höflich und er geht, um sich Messer und Gabel zu holen. Als er zurückkommt, bin ich immer noch dabei, den Schaum aus meiner Tasse zu kratzen. Er versteht, weshalb ich den Löffel brauchte: „Das konntest du nicht verschwenden!“
Als er wieder sitzt fragt er mich, ob ich auch immer den „Lick“ zu Hause hatte, denn das hätte ich ja auch mit dem Schaum machen können. Ich bin verwirrt. „I’m sorry?“ frage ich. Ob meine Eltern mit mir gebacken haben, fragt er mich, was ich bejahe. Auf die Frage, ob ich auch immer die Schüssel ausgeleckt hätte, antworte ich auch mit ja. Woraufhin er sagt: „Bei uns hieß das immer „The Lick“ Er macht mir vor was er meint und zwar genau die Bewegung, die ich mache, wenn ich zu Hause keinen Löffel zum Milchschaum schlecken habe. Mit dem Finger am Rand der Tasse entlang und dann schnell in den Mund. Ich muss lachen und meine: „Ja das hatte ich tatsächlich überlegt, aber es erschien mir hier etwas unpassend.“ Er schüttelt den Kopf und lacht auch: „Ich denke es geht hier den Meisten so wie dir. Wahrscheinlich hättest du ihnen einen Gefallen getan und sie hätten das dann auch gemacht.“ Er deutet auf zwei ältere Damen hinter mir, die sich unterhalten und nicht so aussehen, als ob sie ihren Milchschaum mit dem Finger aus der Tasse schlecken. Eher sehen sie aus, als ob sie den Finger von der Tasse abspreizen, wenn sie daraus trinken.
Der Mann hat angefangen zu essen und ließt Zeitung. Als ich mich verabschiede ist er zur Hälfte fertig mit seinem Teller und studiert die Seite mit den Kreuzworträtseln und Sudokus.
Beim nächsten Kaffeegenuss: auslecken und begründen "Ich hatte Musik-Leistungskurs. Da gehört the Lick dazu."