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EDEKA, eine Weihnachtsgeschichte

Ich bin viel zu früh aufgestanden! Um 6:15 hat der Wecker geklingelt. Um 6:45 habe ich es dann auch endlich mal geschafft aufzustehen. Anziehen: Regenhose, Regenjacke, Handschuhe und los. Draußen ist es noch dunkel und kalt. Die Straßen liegen gespenstisch verlassen da. Verständlich, denn wer macht sich schon zwei Tage vor Weihnachten um 7:30 auf den Weg irgendwo hin, besonders wenn es so gießt wie heute. Berlin schläft noch süß und selig.

Franka und ich treffen uns an der altbekannten Ecke und fahren weiter durch den Regen: Durch den verlassenen Volkspark, durch Pfützen und Matsch. Meine Regenhose ist undicht, Frankas auch. Vielleicht hätte ich den Kajalstift heute Morgen doch weglassen sollen. „Aber eigentlich spielt es doch keine Rolle“, denke ich mir und wir fahren weiter. Eine starke Windböe lässt uns in der Wartburgstraße fester in die Pedale treten. „Richtiges Nordseefeeling!“ rufe ich. Franka lacht und deutet auf meine gelbe Regenjacke, die eigentlich Papa gehört. „Das sagst du nur, weil du heute so angezogen bist.“

Wir fahren weiter, immer weiter. Meine Beine sind Nass. Die Ärmel meines Pullovers, die unter meiner Regenjacke hervorschauen, auch. Ich setze die Kapuze ab. In der Genthiner Straße halten wir vor dem Edeka. Der eigentliche Grund, warum wir schon so früh unterwegs sind. Ich muss Pralinen für zwei Kollegen kaufen, die Geburtstag hatten. Franka wartet draußen, während ich mir meine Maske schnappe und den Laden betrete. Vorne am Eingang steht ein Mitarbeiter, der die Griffe der Einkaufswagen desinfiziert. „Guten Morgen die Dame.“ Sagt er freundlich zu mir. Ich lächele ihn überrascht an. So viel Freundlichkeit bin ich von den Berlinern nicht gewohnt, schon gar nicht so früh am Morgen. Er schiebt mir einen Wagen zu und sagt mit einer ruhigen, sanften und unfassbar freundlichen Stimme: „Bitteschön die Dame.“ Ich muss unwillkürlich lächeln und bedanke mich.

Zwei Schachteln Lindt-Pralinen und zwei Brezeln später stehe ich an der Kasse an. Vor mir steht ein Mann, der eine Teifkühlpizza und ein Energiedrink kauft. Die Kassiererin muss grade noch die Kaugummis sortieren, verspricht aber: „Ich bin gleich bei Ihnen.“ Auf die durchsichtigen Plastiktrennwände sind weiße Schneeflocken gemalt worden. Wie hübsch das aussieht. Die Kassiererin kommt. Den Mann vor mir begrüßt sie mit: „Und Ihnen noch einmal einen wunderschönen guten Morgen!“ Sie lächelt sanft und Freundlich. Auch mich begrüßt sie mit einer unglaublichen Herzlichkeit und Ruhe. Nachdem ich bezahlt habe wünscht sie mir noch einen schönen Tag. Auch der Wagen-Desinfekteur sagt zu mir, als ich Ihm meinen Wagen zurück gebe: „Vielen Dank meine Liebe. Dann wünsche ich Ihnen noch einen wunderschönen Tag.“ Ich bedanke mich und gebe den gleichen Wunsch zurück. Er lächelt und ich verlasse den Laden.

Draußen stehen unsere Fahrräder einsam und verlassen. Suchend sehe ich mich um. Franka springt hinter einem Stromkasten hervor. „Buh!“ ruft sie und lacht. Ich lache mit. Wir wechseln die Straßenseite, fahren über den großen Parkplatz von Hübner und dann langsam die Stauffenbergstraße entlang.

Morgenstund hat Gold im Mund, heißt es ja immer so schön. Also golden war dieser Morgen nicht. Aber er wahr ruhig, gemütlich und wenn man ganz genau hingeschaut hat, dann hat er auch ein bisschen geglitzert.

 
 
 

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